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Naturrisiken vom Portfolio fernhalten - Biodiversitäts-Prinzipien für den Finanzsektor
Grüne Geldanlagen gelten als wesentliche Katalysatoren auf dem Weg zu einer „Green Economy“. Welche weitere Rolle (Finanz-)Unternehmen beim Erhalt der ökologischen Lebensgrundlagen leisten können, wird bisher nur leise diskutiert. Eine Arbeitsgruppe um den Verein für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten (VfU) trägt mit den Biodiversitäts-Prinzipien nun dazu bei, den Erhalt der biologischen Vielfalt zum Business-Thema zu machen.
Von Irina Detlefsen und Henrik Ohlsen
Jede Organisation und jedes Unternehmen nimmt die Natur oder natürliche Leistungen, sogenannte Ökosystemdienstleistungen (z.B. Boden, Wasser, Luft, Rohstoffe) in Anspruch. Dabei ergibt sich je nach Ausmaß der Abhängigkeiten und Einflüsse eines Unternehmens auf die biologische Vielfalt (Biodiversität) ein spezifischer Risikohorizont.
Nur wenige Unternehmen sind sich über die Risikosensitivität ihres Geschäfts hinsichtlich Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen (BES) bewusst. Finanzinstituten kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Über ihre Funktion als Versicherer, Kreditgeber, Projektfinanzierer oder Investor übernehmen sie Verantwortung für eventuelle Chancen und Risiken ihrer Kunden, indem sie deren Risikohorizont genau kennen. Genau hier setzen die Empfehlungen der VfU Biodiversitäts-Prinzipien für den Finanzsektor an.
Lücke geschlossen: indirekte Wirkungen messbar
Bisher gab es hauptsächlich Handlungsempfehlungen für Unternehmen, die primär einen direkten Einfluss auf die Ursachen des Biodiversitätsverlustes ausüben. Kaum berücksichtigt wurden bisher Branchen, die eine indirekte Wirkung auf die biologische Vielfalt ausüben. Dazu zählt auch die Finanzbranche. Auf der Jahreskonferenz UNEP FI / VfU Roundtable 2009 formierte sich während einer Open-Space Session ein Workstream zum Thema Biodiversität. Unter der Leitung von Irina Detlefsen, Abteilungsdirektorin Corporate Sustainability bei der HypoVereinsbank, wollte die Gruppe die Bedeutung des Themas Biodiversität aus Sicht eines Finanzdienstleisters ausleuchten. Schnell wurde deutlich, dass hier Neuland betreten würde. Im November 2011 wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe dann als „VfU-Biodiversitäts-Prinzipien – Empfehlungen für den Finanzsektor" veröffentlicht.
Die Unterstützer Die VfU Biodiversitäts-Prinzipien wurden von Vertretern der folgenden Unternehmen und Organisationen unterstützt:
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Heterogene Kunden, heterogene Risiken
Die Prinzipien dienen als Rahmen für die Entwicklung unternehmensspezifischer Strategien, mit deren Hilfe Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche die Erhaltung der biologischen Vielfalt in ihre Geschäftsprozesse integrieren können. Im ersten Schritt veranschaulichen die Prinzipien die Zusammenhänge zwischen Finanzwirtschaft und Biodiversität. Im zweiten Schritt werden konkrete Handlungsempfehlungen für die Verankerung im Managementsystem sowie in den folgenden Geschäftsfeldern gegeben:
- Research Activities
- Asset Management
- Retail Banking
- Insurance and Reinsurance
- Corporate Banking
- Investment Banking & Global Markets
- Project Finance
Begleitet wird das Dokument von einem 34-seitigen Leitfaden zur Beurteilung von Biodiversitätsrisiken und -chancen. Der Leitfaden kann von Unternehmen genutzt werden, um die wesentlichen biodiversitätsrelevanten Auswirkungen und mögliche Abhängigkeiten des Geschäfts der Kunden zu bewerten. Hier gilt grundsätzlich: So heterogen wie die Kunden (Unternehmen, Projektgesellschaften, öffentliche Hand etc.), so unterschiedlich können auch die Wirkungen der finanzierten Projekte auf die biologische Vielfalt ausfallen.
Natural Capital Declaration (NCD) Ziel der NCD ist es, in Zusammenarbeit mit den Unterzeichnern der NCD aus den Finanzinstituten sowie weiteren Unterstützern außerhalb des Finanzsektors global anerkannte und praktikable Methoden für die Integration von natürlichem Kapital in die Entscheidungsprozesse und Berichterstattung der Privatwirtschaft zu entwickeln. www.naturalcapitaldeclaration.org |
Von den Vereinten Nationen genutzt
Die Biodiversitäts-Prinzipien werden über den deutschen Sprachraum hinaus weltweit wahrgenommen. Während des Erdgipfels der Vereinten Nationen zur nachhaltigen Entwicklung (Rio + 20) im Juni 2012 hat der Finanzarm der Vereinten Nationen, UNEP FI, seine Natural Capital Declaration (NCD) Initiative bekannt gegeben und im zugehörigen Begleitdokument „Roadmap to Account for Nature for the Financial Industry" die VfU Biodiversitäts-Prinzipien mit abgedruckt. Die NCD Initiative ist der Versuch, einen globalen Konsens zur Integration von Belangen der Biodiversität in privatwirtschaftliche Entscheidungsprozesse und die Unternehmensberichterstattung zu integrieren. Die VfU Biodiversitäts-Prinzipien und der zugehörige Leitfaden liefern hier einen Beitrag für den Finanzsektor, die vielfältigen Verknüpfungen ihrer Geschäftsfelder mit Biodiversität zu verstehen und damit verantwortungsvoller zu wirtschaften.
Zum Weiterlesen
- VfU 2011: Biodiversitäts-Prinzipien: Empfehlungen für den Finanzsektor.
- VfU 2011: Leitfaden für den Finanzsektor zur Beurteilung von Biodiversitätsrisiken und Chancen. www.vfu.de
- World Resources Institute, World Business Council for Sustainable Development, Meridan Institute, 2008: The Corporate Ecosystem Services Review. Guidelines for identifying business risks and opportunities arising from ecosystem change.
- Mulder, Koellner 2011. Hardwiring Green – How Banks Account for Biodiversity Risks and Opportunities.
Im Profil
Henrik Ohlsen arbeitet als Projektmanager im Verein für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten (VfU) an der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse. Er ist überzeugt, dass Unternehmen über ihre Wertschöpfungsketten von funktionierenden Sozial- und Ökosystemen abhängen und der Finanzsektor in seinen Geschäftsbeziehungen Anreize setzen sollte, um damit verbundene Risiken zu vermeiden.
ohlsen@vfu.de
Irina Detlefsen hat seit 2004 die Entwicklung des Nachhaltigkeitsmanagement in der HypoVereinsbank maßgeblich mit gestaltet. Ergänzend verantwortet sie heute die CSR-Kommunikation und leitet diverse Sonderprojekte wozu auch die Leitung des VfU-Arbeitskreises Biodiversität zählt.
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